Dies und das - Ein Vlies vorbereiten

Rohwolle Heidschnucke
Herzlichen Glückwunsch! Wenn Du hier gelandet bist, bist Du vermutlich stolze Besitzerin eines
Schafsvlieses – vielleicht sogar mehrerer. Und Du hast Dich entschlossen, irgend etwas damit
anzufangen. Wir raten natürlich zum Verspinnen.
Mit einem Vlies frisch vom Schaf kann man auf unterschiedliche Weise umgehen.
Gar nicht reinigen und aus dem Vlies spinnen – für Anfängerinnen anspruchsvoll
Spinnerinnen, die Schafe halten (lassen) und unbegrenzten Zugriff auf das immer wieder
nachwachsende Material haben, leisten es sich mitunter, alles, was „dreckig“ ist am Vlies, einfach
wegzutun (Die als nicht brauchbar klassifizierte Wolle wird im Garten eingearbeitet, den Vögeln
zum Nestbau angeboten oder kommt in den Hausmüll) und die saubere Mitte, die auch die längsten
Fasern liefert, „aus dem Vlies“ zu spinnen.
Zum Spinnen aus dem Vlies legt man sich jeweils eine Handvoll Wolle auf ein Geschirrtuch o.ä. auf
den Schoß, zupft die Löckchen etwas auf, bis sich das Ganze aufplustert wie ein Wattebausch – und
dann kann man die Fasern verspinnen. Durch das Aufzupfen rieseln auch Strohstückchen und
Spelzen etc. aus der Wolle, man sollte sie gut entfernen und nicht mit einspinnen, weil sonst auch
die weichste Wolle „kratzt“.
Bei sehr geübten Spinnerinnen bilden die einzelnen Arbeitsgänge eine fließende Bewegung und der
Faden dreht sich wie von allein. Alle anderen halten kurz inne, um die Löckchen aufzuzupfen und
spinnen dann etappenweise.
Solltest Du erst ganz viel zupfen wollen, um dann durchgehend spinnen zu können – auch das ist
kein Problem. Auch wenn die „Wölkchen“ zwischenzeitlich wieder plattgedrückt werden, kann man
sie trotzdem gut verspinnen.
Achte immer auf ausreichenden Mottenschutz! - Sonst ist irgendwann die ganze Pracht in
zentimeterkurze Abschnitte zerfressen und man kann sie nur noch wegwerfen. Mottenschutz-
Methoden erläutere ich in einem weiteren Text.
Ein Vlies sortieren und vorbreiten
Da ich ein eher fasergeiziger Mensch bin und bestrebt, das gesamte Vlies, das uns geschenkt wird,
so weit wie möglich zu verarbeiten, bereite ich es inzwischen nach einem ziemlich festen Schema
auf. Das ist kein Dogma, jede macht das etwas anders, ich mache es so:

Rohwolle Heidschnucke
Das komplette Vlies erhalte ich meist in einem Plastiksack. An einem nicht allzu windigen, am
besten bedeckten, aber trockenen Tag fege ich meine Terrasse und befreie das Vlies aus dem Sack.
Mit der Schnittseite nach unten (deshalb muss die Terrasse sehr! sauber sein – ggf. lieber noch ein
altes Laken drunter legen) breite ich es komplett aus. Meist ist es an den Rändern – wo die Wolle
von den Beinen, vom Bauch und vom Po liegt – ziemlich verschmutzt mit Kot und Schlamm.
Die ganz kurzen Fasern, bei denen sich die Mühe wirklich nicht lohnt (2-3 Handvoll) lege ich an die
Hecke, (der Regen wäscht sie, düngt die Hecke und die Vögel holen sich die Fasern zum Nestbau.
Die längeren, aber auch sehr schmutzigen Fasern, kommen in eine Babybadewanne, Regenwasser
drüber, ein Wäschenetz mit Steinen beschwert hindert sie am Aufschwimmen. Dann wird das Ganze
mit einer Folie zugedeckt, damit nicht so viele Insekten drin verenden und mindestens drei Tage
(bei mir meist eine Woche) eingeweicht. Dann kann man die Fasern noch einmal schön
durchmassieren, ein Sieb über den Abfluss legen, den Stöpsel ziehen und die Gülle in die Wiese
laufen lassen. Wenn Dir keine Wiese zur Verfügung steht, nimm einfach die Bade- oder
Duschwanne. Nochmal mit Regenwasser nachspülen, bis die Wolle schön weiß wird. (Man kann
das Ganze natürlich auch mit Leitungswasser machen).

Rohwolle Heidschnucke gewaschen
Diese Wolle ist trotz der Nutzung von Regenwasser meist stark entfettet. Das liegt am Ammoniak,
der im Kot enthalten ist und das Fett ausgewaschen hat. Fettfreie Wolle verspinnt sich schlechter,
die Fasern halten weniger gut an einander. Das ist aber kein Drama, wie sich gleich zeigen wird.
Zunächst einmal kommt nun die gereinigte Wolle in ein Wäschenetz und wird im Schatten
getrocknet. Pralle Sonne macht Schafwolle brüchig – daher immer im Schatten lagern.
Die saubere Mitte des Vlieses stecke ich in einen Jutesack oder alten Bettbezug. Plastesäcke nehme
ich nur zum Transport, nicht, um Wolle länger zu lagern. Wolle will atmen.
Das Zupfen
Wenn die gereinigte Wolle wieder trocken ist, kommt sie zur unbehandelten in den Jutesack. Bei
allen weiteren Arbeitsgängen mische ich sie mit der vollfetten „ersten Qualität“ und habe dann am
Ende eine gut fettige Wolle, die ich gut verspinnen kann. Beim Zupfen öffnet man jetzt die
Löckchen und entfernt Stroh und Spelzen, wie oben schon fürs „Spinnen aus dem Vlies“
beschrieben. Allerdings mache ich das nun nicht mehr in kleinen Etappen, sondern zupfe nach und
nach das gesamte Vlies auf, weil ich es im Anschluss kardieren möchte. Es gibt auch Menschen, die
über einen „Wollwolf“ verfügen und dem das Zupfen überlassen. Das geht schneller, aber das Gerät
ist recht teuer. Daher zupfe ich von Hand.
Ich greife mir eine Handvoll Löckchen aus dem Vlies, zupfe sie auf und lege sie in einen Korb.
Beim Aufzupfen fallen Stroh und Spelzen heraus, daher mache ich das am liebsten draußen bei
leichtem Wind. Es sollte aber keine zu starke Brise sein, sonst wehen die aufgezupften Fläusche
davon.

Rohwolle Heidschnucke gezupft
Ist der Korb voll, folgt der nächste Schritt,
Das Kadieren
Dafür habe ich mir tatsächlich eine Maschine (mit Handkurbel) schenken lassen, preiswertere
Handkarden tuns aber auch.

Kadiermaschine

Handkarden
Das Prinzip ist, die Wollfasern zwischen zwei Nadelvliesen in eine Richtung zu kämmen, so dass
sie nicht mehr kreuz und quer durcheinander liegen. In der Kardiermaschine erhält man so
gleichlange „Bärte“, die man schön stapeln und lagern kann (Mottenschutz!!!)
Da das Kardieren mit Handkarden die urprünglichere Variante ist, zunächst dazu: Die geöffneten
Löcken werden dicht an dicht auf die eine Karde gelegt und dann streicht man mit der zweiten
darüber und „kämmt“ sie in eine Richtung. Durch Wechsel der Kämmrichtung kann man das
entstehende Vlies von einer Karde auf die andere ziehen und wenn man den gewünschten Zustand
erreicht hat, nimmt man den Bart ab und kann ihn lagern (Mottenschutz!!!)
Mit der Kardiermaschine macht man das Gleiche – nur lässt sich hier in einem Arbeitsgang mehr
Wolle verarbeiten: Man legt eine gute Handvoll Wolle an die beiden Rollen der Kardiermaschine und betätigt die
Kurbel. Die Nadeln erfassen die Fasern und wickeln sie um die Rollen – die Guten auf die Große
Rolle, die Kurzen auf die Kleine Rolle – die Fasern werden hier also im gleichen Arbeitsgang auch
sortiert. Man wiederholt diesen Vorgang so lange, bis die Nadeln nicht mehr aus dem entstehenden
Vlies herausschauen. Dann nimmt man die Reißnadel, die zur Maschine gehört (sieht aus wie eine
Stricknadel mit Griff) und reißt entlang einer Metallschiene das Vlies auf. Mit Hilfe der Nadel kann
man es nach und nach von der Rolle nehmen und dann lagern (Mottenschutz!!!)

kadierter Bart
Auch das Vlies von
der kleinen Rolle nimmt man ab – die Fasern kann man noch zum Füllen von Kissen oder
Schmusetieren verwenden oder auch verfilzen.
Das wars. Nun kannst Du spinnen.
Dagmar